02.06.2009

Mos-Cow (und Washington und Beijing)

"Scheinbar muss man immer einen Feind haben...", schreibt Anonym (Warum eigentlich? Bei den Kommentaren gibts eine Namensfunktion.) als Replik auf meinen Eintrag vom Sonntag.

Ja, man muss. Solange Kompetition, auch in total zivilen Angelegenheiten, stattfindet wird man nicht darum rum kommen Streitkräfte zu unterhalten die einem einen "Wettbewerbsvorteil" schaffen können. Solange sich schon Leute die in der selben Strasse wohnen wegen sinnlosem Bullshit den Schädel einschlagen - das liegt im Wesen des Menschen - kannst du nicht von Staaten verlangen bei Themen wos um wesentlich mehr geht als um Maschendrahtzäune (um eines der berühmtesten Beispiele aufzugreifen) resignativ in der Ecke zu sitzen.

Ab einer gewissen Grösse eines Landes (oder meinetwegen Staatenbundes, um da Europa auch mit zu fassen) sind die Interessen so gross und global dass es einfach Streitkräfte bedarf, alleine schon wegen des "Oder sonst-Faktors". Und da die USA nach wie vor Russland und China als potentielle Feinde (von der "Achse des Bösen" gar nicht zu sprechen) sehen werden sie nicht drumrumkommen Streitkräfte zu unterhalten die im Zweifelsfalle einen Konflikt austragen können.

Und hier von einer utopischen Friede, Freude, Eierkuchen-Gesellschaft zu träumen mag zwar durchaus löblich sein (ich mein, wer nicht?), negiert die Realität aber auf gefährliche Art. Zugegeben, die Gründe warum diese Utopie nie (Sag niemals nie...) zustandekommen wird liegen ebenso in Washington wie in Moskau oder in Beijing. Wenn ich aber zwischen chinesischem Kapitalkommunismus, russischem Minderwertigkeitskomplex mit Atomwaffen oder amerikanischem Militärhegemonismus wählen müsste dann würd ich als Europäer letzteres wählen. Schlicht weil ich am meisten davon profitieren würde. Wenn es dazu hin-und-da eines kleineren Krieges bedarf um meinen Lebensstil zu behalten, dann sind das Kollateralschäden. Das ist die Wahrheit, und so denken die meisten Menschen. Wer etwas anderes behauptet ist entweder ein Lügner oder er sitzt schon längst im Senegal und betreibt ein Krankenhaus.

Und, mal davon abgesehen: In Russland hat man die Botschaft begriffen und versucht zumindest dem Militär eine brauchbare Kapazität zu erhalten. In den USA hingegen ist man recht flott auf dem anderen Wege, eben jenem den ich immer wieder kritisiere. (Und über die Chinesen verlier ich eh kein Wort mehr. Die können in 20 Jahren von Shanghai bis Madrid marschieren wie weiland Djingis Kahn und danach in Baltimore anlanden um die Kapitulation des US-Präsidenten entgegenzunehmen...)

Es ist ein bisschen wie in der Simpsons-Folge mit dem Schlachthof. "Wenn du die Kuh nicht isst, sie würde dich fressen." Ich mag nicht von einer Kuh gefressen werden...

3 Kommentare:

  1. Eine etwas seltsame Argumentation, wirtschaftlichen Wettbewerb mit
    militärischen mitteln zu untermauern. Deutschland und Japan sind die
    größten Konkurrente im Automobilbau (jetzt wo GM und Chrysler pleite
    sind), richten ihre Doktrin allerdings nicht gegeneinander. Wohl eher
    gemeint sind geopolitische Einflusszonen, in Osteuropa, Kaukasus,
    Zentralasien, wenn man jetzt den Hugo mitberücksichtigt, auch
    Zentralamerika... Das ist insofern nicht so schlimm, da es natürlich
    ist. So etwas hat es immer gegeben, gibt es und wird, solange die Erde
    besteht, auch weiterhin geben. Hieraus ist es auch selbstverständlich,
    schlagkräftige Streitkräfte zu unterhalten und die "Friede, Freude,
    Eierkuchen" Ideologie beiseite zu legen.
    Nicht der Situation adäquat ist allerdings meines Erachtens, eine Seite
    permanent zu dämonisieren und bei sich das erwähnte "ganze Doktrinen
    und Waffengattungen über Bord werfen" kritisieren, wenn es bei anderen
    genauso der Fall ist, vor allem wenn es noch auf derart
    widersprüchliche Weise geschieht:
    - Roter Platz Parade nur als Muskelspiel für Ausland gedacht, während
    alles, was da gezeigt wird, sich in den Stretkräften irgendwo im
    einstelligen Prozentbereich bewegt.

    -Die pink slips Träger sowie die
    -Turbanträger- und Kameltreiberjäger würden sich beim Anblick einer
    neosowjetischen Panzerdivision in Luft auflösen
    -doch die Roter Platz Prozession würde in echten Einsetzen zugleich
    zergehen.

    Einer Ihrer Blogkollegen hat so etwas (Georgien mal abgesehen) ganz gut
    zusammengefasst.
    http://derunbequeme.blogspot.com/2008/11/und-tglich-grt-der-totengrber.html

    Zu "brauchbarer Kapazität":
    Ich bin zwar schonmal auf die sogenannte "Aufrüstung" eingegangen, aber
    wenn es den Mythos von hunderten Divisionen im Osten immer noch gibt,
    was solls...

    Flotte:
    Wie viele Kreuzer, Zerstörer, SSN, SSGN sind denn seit 1991 bei den VMF
    eingelaufen? Kann man doch an einer Hand abzählen. Und wenn man die
    Inertialproduktion bis ca. 1995 davon abzieht? Bleibt da überhaupt
    etwas übrig?
    Bei den Fregatten hat man es tatsächlich geschafft, nach 18 Jahren eine
    zu Ende zu bauen, den Beginn einer neuen Klasse zu beschließen und den
    ersten Vertreter zu bauen anzufangen. OK, eine neue SSBN ist vom Stapel
    gelaufen, allerdings wird die wohl noch einige Zeit ohne SLBMs
    unterwegs sein. Im selben Zeitraum hat man mit US-Mitteln 3 Typhoons
    zersägt und die ausgemusterten Deltas will nicht mal ich noch alle
    abzählen.

    VVS:
    Das gleiche Spiel. Seit 1994 praktisch keine Jägerneubeschaffungen.
    Rund 30 retourte SMT-MiGs aus Algerien, Anfang der 90er ca. 20 MiG-29S
    + ca. 20 weitere eingemottet bei MiG.
    2009 angeblich 12 Su-30MK2, zwar keine indischen MKI, aber immerhin.
    Weiterhin bei Flanker-Familie: Inzwischen veraltete Modernisierung von
    48 Su-27 zum SM-Standart und die vage Aussicht auf 48-72 Su-35BM in
    mittelfristiger Zukunft. Ach, und stolze 2 MiG-31BM hat man auch noch.
    Dem gegenüber: hunderte Fulcrums mit zerbröselnden Kiels, 65
    Jahresflugstunden bei Kampfpiloten, äußerst ECM-anfällige Lenkwaffen
    und Radare.
    Um die alternde Fencer-Flotte von schätzungsweise 400 Maschinen zu
    ersetzen, hat man seit 2006 ebenfalls beeindruckende 3
    Möchtegern-Serien-Su-34 hergestellt, die mit ihren Flugleistungen
    nichteinmal an die 40 Jahre alte F-111 herankommen. + ca. 20
    modernisierte Su-24M2
    Einziger Lichtblick ist wohl das PAK FA Programm. Doch da es 2009
    bereits abheben und die Serienfertigung nach den Worten Offizieller
    schon 2010 anlaufen soll, schwinden die Hoffnungen, dass man sich
    nötige die Zeit genommen hat, etwas vernünftiges zu basteln und bekommt
    erstmal eine Halbfertigware ohne vernünftiger Triebwerke, Radare und
    Lenkwaffen, vom Stealth made in Russia mal ganz zu schweigen...
    Nicht umsonst erfährt man aus noch diskreteren Kreisen als Foxhound,
    dass der Generalstabschef den Hauptbefehlshaber der VVS angeblich der
    Inkompetenz und der Vernichtung der Luftstreitkräfte bezichtigt...

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  2. Armee:
    Beschaffen tut man schon etwas. Über hundert BTR-80/90, einige dutzende BMP-3, 62 neue Panzer, etwa hundert werden jährlich modernisiert. Positiv: T-90A in Abchasien, also nicht mehr in der Nähe von Militärparaden, sondern da, wo sie gebraucht werden, auch wenn es nur ein frisierter T-72 ist, bei dem Munition überall im Innenraum verteilt ist...
    Dem gegenüber hat man 2008 allerdings ganze 4000 Panzer eingeschmolzen, wobei dem nicht nur T-54/55 zum Opfer fielen, sondern auch T-64 und T-80. Man geht zu einer Wehrpflicht von nur einem Jahr über. Und, oh, unvorstellbar, die Divisionen sollen in der russischen Armee den Brigaden weichen!
    Irgendwie passt das nicht ins Bild eines Russlands, von dem man Angst haben muss, dass es morgen Europa überrollen wird.
    Und was die Luftabwehr angeht: Kopps IADS hören sich in der Theorie ganz toll an, aber hat man nicht S-200 ausgemustert und rund 50
    S-300p/v Systeme eingemottet, die man stattdessen mit 2 Systemen S-400 ohne seiner Hauptlenkwaffen ersetzt hat?

    Zum Schluss möchte ich noch etwas auf den "Minderwertigkeitskomplex mit den Atomwaffen" eingehen. Es scheint wohl so zu sein, dass man sich hier im Westen an den Gedanken der Selsbtverständlichkeit eines schwachen Russlands der 90er, des Beginns des 2000er Jahre gewöhnt hat und jeglichen Machtzuwachs
    Russlands als Geltungsbedürfnis und Minderheitskomplex abstempelt. Das stimmt nur insoweit, als das die Russen nach der weltpolitischen Rolle streben, die ihnen zusteht, die sie sich im Laufe der letzten
    Jahrhunderte erarbeiteten und vor 20 Jahren leichtsinnig sich aus den Händen haben gleiten lassen. Die Unfähigkeit des Westens, auf geopolitische Kompromisse einzugehen, wäre hier fehl am Platz, wie sonst nirgendwo. Die Russen, nicht Reagan mit dem SDI-Programm, haben den Ostblock sich auflösen lassen, das bedeutet aber nicht, dass sie ihre traditionellen noch aus der Zarenzeit stammenden roten Linien vollkommen aufgegeben haben. Zweifellos stehen ihre Streitkräfte nicht minder vor großen Stückzahlreduzierungen, der politische und
    wirtschaftliche Einfluss wird diesem Trend jedoch nicht folgen und das ist etwas, was man akzeptieren und damit umgehen muss, anstelle einen neuen kalten Krieg heraufzubeschwören. Finnland, obwohl für ein
    Jahrhundert Teil Russlands, hat diesen Weg bislang ganz erfolgreich bestritten, ohne sich in dem Lebensstil seiner Bevölkerung (der sich übrigens in Russland bis auf die zur Verfügung stehende Geldmenge wenig
    vom Westen unterscheidet) beeinflussen zu lassen.

    China ist hier ein vollkommen anderes Kapitel und bedarf noch längerer Ausführungen.

    Sorry für den ersten Teil...

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  3. "Eine etwas seltsame Argumentation, wirtschaftlichen Wettbewerb mit militärischen mitteln zu untermauern. [...] Wohl eher gemeint sind geopolitische Einflusszonen, in Osteuropa, Kaukasus, Zentralasien, wenn man jetzt den Hugo mitberücksichtigt, auch Zentralamerika..."

    Und auf welcher Logik bitte fussen diese Einflusszonen? Kein Mensch würd sich für die Wüstenvölker am Golf mit ihren komischen Traditionen interessieren wenn sie nicht zufällig auf den grössten bekannten Ölvorräten des Planeten sitzen würden.
    Oder Sibirien (ja, die Gschicht mit den ChiComms)? Kein Mensch interessiert sich für die Tundra da oben - aber weil alle Welt von einem neuen Gold Rush träumt fletschen die ersten schon ihre Zähne. Auch beim Hugo ist das ja letztendlich eine Erdöl-Sache.

    Die ideologische Abgrenzung des kalten Krieges gibt es nicht mehr (das Reich des Bösen und so...) - sämtliche Geopolitik ist schon lange nur mehr von wirtschaftlichen Interessen getrieben. Dafür gibts zuviel Lobby - vor allem auf US-Seite.

    Das ist ja der Grund warum man problemlos 100.000 Mann in den Irak schickt obwohl Saddams Regime durch die wöchentlichen Airstrikes der USAF und der RAF eh zu nix fähig war während man die Problematik mit Nordkorea (heck, der geht mit seinen WMD eh hausieren, dort müssten sie nichtmal danach suchen) ignoriert. Dort hats schlicht zuwenig Öl.

    "Nicht der Situation adäquat ist allerdings meines Erachtens, eine Seite permanent zu dämonisieren"

    Dämonisiere ich? Ich denke das tue ich wohl. Warum? Nun, in Malmstrom oder Warren wird man kaum Zielkoordinaten von Cherbourg, Faslane oder Rheindalen finden. In Dombarovsky oder Tatishchevo schon. Als Europäer ist die Tatsache wer im Konfliktfall auf mich schiessen würde (oder sagen wir zumindest "eher schiessen würde") schon eine Entscheidungshilfe.
    Über die Historie der Sowjets in Europa, von denen sich die Russen meines erachtens ebensoweit distanzieren sollten wie Deutschland vom 3. Reich, sag ich an der Stelle nichts. Aber die ist auch ein Faktor.
    Und sonst? Ich war in beiden Ländern, Russland und den USA. Kannst dir wohl ausmalen in welches ich lieber auswandern würde. Mach ich nicht mal ein Hehl daraus.

    "Das stimmt nur insoweit, als das die Russen nach der weltpolitischen Rolle streben, die ihnen zusteht"

    Ja... nach welchen Kriterien eigentlich? Eine gache Suche fördert zu Tage dass sie beim BIP ähnlich den Briten liegen. Die haben aber keine tausenden Atomwaffen - heck, deren Streitkräfte sind aktuell grad am zerfallen.
    Oder vielleicht die Landesgrösse? OK, ich werd dann mal bei den Kanadiern und Australiern anrufen ob die schon wissen wo die ihre neuen Silos hinstellen und ob bei den Ausschreibungen für den neuen Bomber schon was rausgekommen ist...
    Und sonst? Vielleicht sind ja die Russen so eine moralische Autorität und ständig für die Menschheit im Einsatz? Während alleine die US Navy als "Abfall" ihrer Tätigkeiten mehr humanitäre Missionen im Jahr als Russland seit 1991 macht hat die VVS ohne Skrupel Grozny in ein Little Dresden verwandelt dass selbst Belfast 72, South Central LA 92 oder Belgrad 99 dagegen ein Kindergeburtstag waren.
    Bleibt nimma viel übrig - wir könnten noch nach der Bevölkerung gehen. Aber dann wären wir ohnehin schon längst at the mercy der ChiComms und der Inder.

    Ich kann dir bei den ganzen Geschichten was die Hardware betrifft ja nichtmal was gegenhalten - das weiss ich sogut wie du.
    Aber grad der Hinweis auf Zelin (der ja wirklich mit der Säge am Arbeiten ist um das wenige Material welches noch brauchbar ist zu erhalten) zeigt doch den wesentlichen Unterschied: Wenn der Zelin die VVS zamstreicht kriegt er einen auf die Nuss und wird vielleicht abgesägt. In den USA hingegen sind in der jüngeren Vergangenheit nur Sternenträger verwarnt oder abgesägt worden (Moseley, hah!) die GEGEN Streichungen waren. Die einen haben das Geld aber scheinbar nicht den Willen, die anderen den Willen aber nicht das Geld.

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