09.08.2010

Eine Woche in New England, Teil 2

Disclaimer: Das rumschleichen um Anlagen welche mit gelben Schüdln, dem amerikanischen Pendant (a.k.a. UODFA - "Use of deadly force authorized") oder irgendwelchen Verbotsschildln beklebt sind, sowie deren betreten oder fotografieren ist ein Akt der sich am Rand nicht nur der Legalität sondern auch der Vernunft bewegt, zuweilen auch darüber. Ich rate dringend davon ab selbiges zu tun - es reicht schon wenn ich das, hierzulande, in den USA oder sonstwo, mache.

"Ich glaub ich steh im Wald"

Ich prügle also meinen Chevy auf der I-95 gen Norden und erfreue mich (ungebildeter Europäer der ich halt bin, Besitzer eines Golf noch dazu) an Automatik und Tempomat bis mich mein Navi (mein allzeit getreues iPhone, um US-Kartenmaterial ergänzt) dazu auffordert auf den Highway 4 abzubiegen...

... und von dort weiter auf den Pease Boulevard. Ahhhh... Pease International Tradeport, vormals Pease AFB, ist nur mehr ein Schatten seiner selbst. Wie viele der ehemaligen SAC-Basen (Presque Isle, Loring, Wurtsmith, Sawyer...) zum überdimensionalen Provinzflughafen degradiert gibts dort bis auf ein bissel General Aviation nix mehr. Den Trade kann man sich in Portsmouth aufmalen. Aber auch in den USA ist das Pentagon auch zur Regionalförderung da, und so wird eine Ecke der "Basis" als Pease ANGB von der NHANG belegt. Die ehemalige WSA (Weapon Storage Area, also das Eck wo früher die SRAMs rumgekugelt sind) ist mittlerweile Vogelschutzgebiet. Wer hätte das gedacht.

Nur ein paar Meilen weiter, grade nicht mehr in New Hampshire (sondern in Maine), findet sich die Navy und - schon wieder die Coast Guard. Letztere in Form des Kutters Campbell (W-MEC-909), einem Schwesterschiff der Escanaba vom Vortag. Erstere in Form des Portsmouth Naval Shipyard - wo nur ein paar Tage zuvor eine Korvette für den Oman vom Stapel gelaufen ist. Aber auch ohne die Korvette gibts genug zu sehen - ein unidentifiziertes Sub liegt grad im Dock. Mit ein bissel Analysefähigkeit stell ich fest dass es sich wohl um die Providence oder die Pittsburgh handelt - Kudos für den der mir sagen kann warum ich darauf gekommen bin. Und nach ein bissel Online-Recherche stell ich fest, ja, es ist die Providence. So much for OpSec.

Das nächste Ziel ist sowas wie der inoffizielle Höhepunkt meiner Woche. So inoffiziell, das mich das Navi gleich mal in eine Sackgasse lenkt weil die Wege auf dem der zu erreichen ist schon lange nicht mehr befahrbar sind. Nur unweit von Sharpner's Pond, der trotz des stolzen Namens nur mehr ein vertrockneter Tümpel ist, liegt der teuerste Baggersee der Welt. Fast 19 Millionen Dollar hat die Navy in heutigem Geld dafür ausgegeben dass dieses Loch gegraben wurde, und noch hunderte mehr damit die lustigen in Huntsville, auf Kwajalein, beim MIT, bei IBM und bei Bell/WE den Krempel entwickelt haben welcher hier mal hätte her sollen. Das Loch im Boden stellt die ehemalige Baugrube für das Perimeter Acquisation Radar des Sentinel ABM-Systems nördlich von Boston dar. Und mal von einigen Bohrungen im Fels, wahrscheinlich Sprenglöchern, abgesehen, deutet hier nix mehr auf die Signifikanz - auch politisch - hin, die der Teich mal hatte.

Jetzt stehe ich vor einem verschlossenen Tor. Gut, die Kette vom Schloss ist so lang dass das vor sich hin rostenden Maschendrahtzäunchen einen guten Fuss Spiel hat. Und nachdem ich mich davon überzeugt habe dass niemand in der Nähe ist bin ich irgendwie durchs Tor getunnelt. Blame Heisenberg. Ich maschiere also auf der überwachsenen Strasse hinter dem Tor davon während mein Chevy im Nike Village stehen bleibt. B-05L, eine ehemalige Nike Hercules-Startanlage nördlich von Boston, gleicht heute mehr einem Urwald denn einer militärischen Anlage. Ohne Mähwerk vor dem John Deere kommst du nicht mal in die Nähe der Gebäude und der legendäre Nike Berm hat sich zu einem verbrushten Hügel im Gelände reduziert. Die Magazine dürften verfüllt sein und die Elevatoren zugeschüttet, aber sie sind noch sichtbar. Und wenn man so durchs Unterholz stolpert kann man tatsächlich noch jeden einzelnen Startplatz finden, oder zumindest die zubetonierten Verankerungen der Startgeräte.

Unweit (oder doch ein bissel weiter) von Sharpner's Pond, an der State Road 40 gelegen, findet sich ein historisches Plätzchen. Oder weniger Plätzchen, eher Maschinchen. Denn das Gerät ist nicht während seines ganzen Lebens hier gestanden. Heute als Millstone Hill Radar bekannt (und früher bei Google Earth hinter einer Pixelwand verschwunden) steht hier oben der erste Spacetracker der Welt und das einzige Radar welches 1957 Sputnik im Orbit verfolgen konnte. Modifiziert und modernisiert dient es dem MIT bis heute, und zeitweise auch der Air Force. (Und wer sich über die halbe Antenne wundert: nicht mal ich kann auffällige Schilder und Schranken ignorieren ohne tatsächlich in Leavenworth zu landen.)

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